Zurück geht es hier Grüezi! Sie wurden auf finanzen.ch, unser Portal für Schweizer Anleger, weitergeleitet.  Zurück geht es hier.
Im Brennpunkt 13.01.2012 10:26:48

Neue Ära der Risikowahrnehmung wird eingeläutet!

Kolumne

«Die Welt hat sich verändert. Das Volumen in spekulativen Finanzinstrumenten weltweit ist ein Vielfaches seines Underlying. Ohne strikte und konsequente Regulierung komplexer Finanzprodukte wird die Schwankungsbreite an den Märkten noch zunehmen!»

Informationen als Lebenselexier der Märkte

Die Turbulenzen an den Finanzmärkten haben zugenommen. Deutlich, unmissverständlich, schmerzlich. Preise von Aktien verändern sich innerhalb eines Tages oftmals zwischen 2 und 5 Prozent, manchmal gar 10 Prozent oder mehr. Plakative Ankündigungen von Massnahmen zur Eindämmung der Schuldenkrise, des Währungskrieges oder zur Ankurbelung der Wirtschaft werden euphorisch mit einem globalen Kursfeuerwerk gefeiert. Negativmeldungen führen unmittelbar und ohne Zeitverzögerung zu einem Sell-Off. Oder sind es nur Gerüchte – egal! Die Realisierung und Umsetzung der Massnahmen oder die Bestätigung einer Meldung interessiert niemanden mehr. Weshalb? Zu unspektakulär, medial zu wenig ausschmückbar, schlicht langweilig.

Ein paradoxes Element der Marktwirtschaft und der Globalisierung hat in der aktuellen verworrenen und konfusen Lage Einzug gehalten: die sich selbsterfüllende Prophezeiung. Eine Idee wird zur Realität, unabhängig von ihrem Wahrheitsgehalt. Allein der Glaube der Marktakteure zählt. Nichts symbolisiert dies besser als das Schweizer Beispiel mit dem Frankenkurs. Die Politiker wussten ob der für Wirtschaft und Arbeitsplätze bedrohlichen Stärke des Schweizer Frankens nicht mehr, was zu tun war. Da gab die Nationalbank ein Interview. Die Financial Times Deutschland titelte: „Schweizer Machtwort zum Franken“. Das Resultat war, dass der Kurs des Euro um rund 10 Prozent im Verhältnis zum Franken stieg, verschiedene andere Weltwährungen gleich mit. Konklusion: Das Mittel der Verbalintervention ist zum wirkungsvollen Bestandteil des geldpolitischen Instrumentariums geworden.

Informationen sind unbestritten der Sauerstoff, aber auch das Blut der Finanzmärkte. Sie treiben das Geschehen und bilden die Basis für Anlageentscheide. Bis anhin galt die Regel: Mehr Informationen sind besser als wenige. Nach der Markteffizienz- Theorie bedeutet dies: Stark effiziente Märkte sind besser als schwach effiziente Märkte. Stark effiziente Märkte sind solche, bei denen alle marktrelevanten Informationen, sowohl öffentlich zugängliche Informationen als auch Insider-Informationen, bereits in den Kursen enthalten sind. Die unmittelbare Folgerung daraus ist die Nichtvorhersehbarkeit der Kurse. Dies hört sich plausibel an, denn wären die Kurse an den Finanzmärkten vorhersehbar, würden die Börsen nicht mehr funktionieren. Doch mittlerweile sind wir bezüglich Markteffizienz in neue Sphären vorgestossen. Man könnte sie hyper-effiziente Märkte oder aber auch fiktiv-effiziente Märkte nennen. Denn zu viele, unklare oder nicht klassifizierbare Informationen können auch schaden. Die jüngst sprunghaft angestiegene Volatilität an den Finanzmärkten ist Zeuge davon. Die Vielzahl an Nachrichten und Gerüchten dies- und jenseits des Atlantiks überfordert die Marktteilnehmer und kann nicht in angemessene Kurse verarbeitet werden. Hetze und (vor)schnelles Handeln sind Trumpf, fundierte Analyse keine Tugend mehr. Dies erschwert das Leben an und rund um die Finanzmärkte und öffnet den Spekulanten Tür und Tor.

Investieren versus Spekulieren

Spekulieren kann man heutzutage auf alles, jedes und jeden: Auf die Kreditausfälle der hochverschuldeten europäischen Staaten und auf das Unterschreiten der EUR/CHF-Untergrenze. Aber auch auf Fussballtransfers in der spanischen und portugiesischen Liga oder die Anzahl Schneetage im Monat Januar, um nur einige wenige Beispiele zu nennen. Interessant oder gar lustig auf den ersten Blick, töricht und verantwortungslos bei näherer Betrachtung. Denn – und dies sei an dieser Stelle einmal unmissverständlich gesagt – Spekulanten haben uns mitunter in diese missliche Lage nahe des Finanzkollapses gebracht. Sie sind diejenigen, welche gegebene Trends mit ihrer grossen Finanzkraft noch deutlich verstärkt haben. Nichts versinnbildlicht dies deutlicher als die Finanzkrise 2008, die jüngsten dramatischen Verzerrungen an der Währungsfront und die aktuelle Schuldenkrise, welche Existenzen bedroht oder gar vernichtet. Es gilt bei jeder Finanzanlage eine gewisse Moral zu wahren und nicht nur die eigene Gier in den Mittelpunkt zu stellen – sprich zu investieren, anstatt zu spekulieren. Denn ein Grossteil der Spekulationen kann, ob direkt oder indirekt, ob kurz oder langfristig zu Leiden führen. Seien es die zig Millionen Erwerbslosen und notleidenden Bürger der krisengeschüttelten europäischen Länder oder die aufgrund des starken Frankens am Rande des Konkurses stehenden Schweizer KMUs.

Es gilt zu hoffen, dass die jüngsten Bemühungen zur Einschränkung von Spekulationen mit spezifischen Finanzinstrumenten rund um den Globus intensiviert und Anreizsysteme neu definiert werden. Ansonsten werden die Marktturbulenzen eher zuals abnehmen.

Pascal Oliver Hauser, Mitglied der Direktion und Chief Investment Officer bei Lienhardt & Partner Privatbank Zürich

Pascal Oliver Hauser

Der obige Text spiegelt die Meinung des jeweiligen Kolumnisten wider. Die finanzen.net GmbH übernimmt für dessen Richtigkeit keine Verantwortung und schliesst jegliche Regressansprüche aus.

finanzen.net News

Datum Titel
{{ARTIKEL.NEWS.HEAD.DATUM | date : "HH:mm" }}
{{ARTIKEL.NEWS.BODY.TITEL}}